Dienstag, 4. September 2012

Vom Gackern und von Hausaufgaben-Losen

Dass unser Schulsystem eher dazu geeignet ist zu frustrieren, als zu motivieren, haben wir ja schon festgestellt. In absehbarer Zeit wird sich daran auch nichts ändern, auch wenn durchaus positive Signale zu erkennen sind - bis diese umgesetzt sind und sich flächendeckend auswirken, wird viel Zeit vergehen (ich bin an dieser Stelle mal optimistisch und gehe davon aus, dass sich wirklich nachhaltig etwas bewegt...).

Gut, dass es Eltern gibt... ;-) Denn im häuslichen Rahmen lässt sich viel tun, um die Motivation der Kinder zu wecken und zu erhalten. Es folgen ein paar Anregungen, vielleicht ist ja für den einen oder anderen etwas Nützliches dabei:

  • Im letzten Post bin ich ja schon darauf eingegangen, dass es sehr hilfreich sein kann, dem Kind zu zeigen, was es schon kann, statt immer nur auf die Fehler hinzuweisen. Viele Kinder sind gar nicht mehr in der Lage, ihre Leistungen überhaupt zu erkennen, geschweige denn anzuerkennen. Daher: Egal ob Diktat oder Mathearbeit - schaut euch mit euren Kindern bewusst das an, was sie richtig gemacht haben und lobt sie dafür. Das stärkt das Selbstbewusstsein und ist auch für euch hilfreich, da ihr seht: Auch wenn es Probleme gibt, da ist doch schon sehr vieles, was mein Kind kann.
  • Besonders, wenn ein Kind Schwierigkeiten in der Schule hat, führt an regelmäßigem Üben kein Weg vorbei. Dass da kein Kind vor Freude jubelt, ist klar. Wer beschäftigt sich schon gern freiwillig mit etwas, das er nicht kann? Hier können die guten alten Belohnungspläne (Tokenlisten) sehr hilfreich sein. Hat das Kind das Übungspensum erfüllt, wird ein Aufkleber, Smiley oder was auch immer in den Kalender (oder den gemalten Plan) geklebt. Sind zehn davon gesammelt, gibt es eine kleine Belohnung (das muss nichts Materielles sein - ein gemeinsamer Besuch im Schwimmbad oder der Stadtbummel wirken auch ungeheuer motivierend). Wann es welche Belohnung gibt, wird vorher mit dem Kind ausgehandelt und vielleicht sogar in einem Vertrag, den alle Beteiligten unterschreiben, festgehalten. Wichtig: Als Erwachsener gilt es, diesen Plan konsequent zu führen und Belohnungen wirklich zeitnah einzulösen - nur dann kann er Erfolg haben, da das Kind sich dann ernst genommen und seine Anstrengungen gewürdigt sieht.
  • Als ich eines meiner Trainingskinder gestern fragte, was er denn noch vorhabe, bekam ich die Antwort: "Ich muss noch Deutsch, Englisch, Geschichte und Französisch machen und für mein Referat üben. Blöde, mistige Dreckshausaufgaben!" Ich denke, damit sprach er vielen Schülern (und auch Eltern) aus der Seele... ;-) Gerade, wenn sich die Hausaufgaben aus verschiedenen Fächern häufen, scheint der Hausaufgabenberg unüberwindbar zu sein. Für so einen Fall habe ich mir die Los-Technik einfallen lassen, die die Kinder zum großen Teil begeistert anwenden (auch noch in höheren Klassen): Ein Blatt Papier wird in Streifen geschnitten. Auf jeden Streifen schreibt das Kind nun eine Aufgabe, die erledigt werden muss, entweder die einzelnen Fächer (Mathe / Deutsch / Physik...) oder aber noch weiter unterteilt (1x6 üben / Mathebuch S. 12 / Text lesen üben / Buch S. 10 abschreiben...). Ist alles aufgeschrieben, werden die Zettel gefaltet und in einen Behälter gelegt. Nun zieht das Kind eines dieser Lose und bearbeitet die gezogene Aufgabe. Ist sie erledigt, wird das Los zerrissen und weggeschmissen und das nächste wird gezogen. Diese Methode hat mehrere Vorteile: Der scheinbar unüberschaubare Hausaufgaben-Wust wird strukturiert. Je weiter die Aufgaben unterteilt sind (Lesen / Schreiben / Anmalen statt einfach nur Deutsch), desto schneller sind die einzelnen Aufgaben erledigt und es darf wieder ein neues Los gezogen werden, was sehr motiviert. Und nicht zuletzt sehen die Kinder anhand der kleiner werdenden Menge an Losen, was sie alles schon geschafft haben. Man kann zusätzlich vereinbaren, dass nach einer bestimmten Anzahl Losen eine Viertelstunde Pause gemacht wird oder ein Glas Wasser getrunken wird, dass ein paar Bewegungsübungen gemacht werden etc. Diese Technik lässt sich auch ganz prima auf andere Bereiche übertragen. Als mein Sohn noch klein war, haben wir so die Wohnung geputzt: Wohnzimmer / Schlafzimmer / Küche... Macht definitiv mehr Spaß! ;-) 
  • Lernen und Lachen schließen sich übrigens keinesfalls aus - im Gegenteil! Manchmal gackern wir hier in der Lerntherapie, dass sich die Balken biegen! ;-) Man weiß heute, dass man Gelerntes, das sich an positive Emotionen knüpft, viel besser behalten kann. Hierzu gehört es auch, dass die Schüler sich geborgen und angenommen fühlen. Sitzt neben den Kindern ein Erwachsener, der nur genervt ist und ständig meckert, kann das den gegenteiligen Effekt haben.
  • Immer daran denken: Kein Kind ist schlecht in der Schule, um seine Eltern zu nerven oder zu bestrafen. Auch wenn es manchmal schwer fällt, nehmt schlechte Leistungen eurer Kinder nicht persönlich. Denn wie an anderer Stelle schon einmal erwähnt - kein Kind setzt sich hin und beschließt: Heute schreibe ich mal eine schlechte Arbeit! Es wird sein Bestes gegeben haben. Sollte das euren Maßstäben und denen der Schule nicht genügen, gilt es, an einer Lösung zu arbeiten. Aber bitte ohne Sprüche wie: "Nun stell' dich mal nicht so an, das ist doch leicht!" Wenn es das wäre, gäbe es das Problem nicht. Und ganz ehrlich? Bei solchen Sprüchen würde ich meine Mitarbeit auch verweigern... ;-)
  • Noch ein Tipp zum Schluss: Lasst die Schule nicht übermächtig werden. Wenn die Schule jedes Gespräch dominiert, immer präsent ist, dann läuft etwas falsch. Natürlich ist Schule ein wichtiges Thema, doch sein Zuhause sollte für das Kind auch eine Insel sein, wo es sich geborgen fühlen und auftanken und wo es die Schule auch mal für eine Weile vergessen kann, um wieder Kraft zu schöpfen. Neulich rief mich die Mutter einer meiner Schülerinnen an und berichtete total glücklich: "Nach langer Zeit sind meine Tochter und ich mal wieder in der Stadt shoppen gewesen. Wir haben gemütlich Kaffee getrunken und sind dann noch schwimmen gegangen. Einfach so, als Mutter und Tochter und die Schule haben wir mit keinem Wort erwähnt. Das war so schön!" Dem ist nichts hinzuzufügen... 
Nicole Fischer

2 Kommentare:

  1. Hallo Nicole!
    Super Tipps zum Thema Hausaufgaben.Trotzdem zu dem dritten Punkt mal eine Frage. Wie Du ja weisst, arbeite ich viel mit Eltern von "ADHS -Kindern"(blöder Begriff). Meine Frage geht nun dahin, dass ja bei der Losmethode die Lernbereiche immer hin -und herswitchen könnten. Also 1. Los Matheaufgabe, 2.Los vielleicht Deutsch usw..
    Ist die Methode aus Deiner Erfahrung trotzdem auch bei ADHS anwendbar, da diese Kinder ja besonders viel Struktur - auch in der Übersicht ihrer Aufgaben - brauchen?
    Fragende Grüße von Jörg Schnauer / AD(H)S -Elterncoach

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  2. Nein, bei ADHS-Kindern würde ich da erstmal ganz pauschal von abraten - wobei das wie immer sicher von den Kindern abhängt. Hier wäre es vielleicht eine Möglichkeit, lediglich die Fächer auf die Lose zu schreiben, so dass das Fach als Ganzes abgearbeitet wird und dann zu einem anderen übergangen wird, wie man das eben auch ohne Lose machen würde. Ich denke auch, dass es eher kontraproduktiv sein kann, wenn das "reizoffene" Kind zu sehr zwischen den Fächern wechselt.

    Liebe Grüße
    Nicole

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